AfD – Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie ein Geschichtsbuch

Dzpöürtdzrom Hans-Rolf Selbach
Stolperstein Hans-Rolf Selbach in der Burgstraße, Radevormwald

Ich wollte heute im Rahmen der Demo „Wir schweigen nicht! – Demokratie schützen“ auf dem Rader Marktplatz Ihnen über das Schicksal eines Radevormwalder Kindes, das zu meiner Familiengeschichte gehört, berichten. Der Bürgermeister ist allerdings der Auffassung, dass dort weder Privatpersonen noch Ratsmitglieder reden dürfen. Deshalb informiere ich Sie auf diesem Wege über das Schicksal meines Onkels, den ich nie kennenlernen durfte.

Als Nachkriegsgeneration habe ich innerhalb der Familie mitbekommen, was die Nationalsozialisten angerichtet haben.

Da war nichts mit Meinungsfreiheit! Mein Opa hatte hier in der Weststraße ein Lebensmittelgeschäft und weigerte sich, die nationalsozialistische Fahne zu hissen. Das Verhalten war nicht ungefährlich. Er hat dennoch durchgehalten.

Der Sohn meines Opas, also mein Onkel Hans-Rolf Selbach, 1930 in der Burgstraße geboren, erlitt mit zwei Jahren einen Unfall. Er stürzte die Eingangstreppe am elterlichen Haus in der Burgstraße hinunter. Zunächst sah es so aus, als ob es zu keinen schwerwiegenden Verletzungen gekommen wäre. Doch je älter er wurde kam es zu epileptischen Anfällen. Mit sechs Jahren wurde er in die Lindenbaumschule – damals Volksschule – eingeschult. Mit 12 Jahren ließ sein Klassenlehrer – ein überzeugter Parteigenosse – Hans-Rolf aus dem Unterricht von der Polizei abführen. Es wurde dann ein Schulverbot ausgesprochen, weil er „der Menschheit“ nicht zumutbar sei.

Meine Oma bekam vom Hausarzt die Aufforderung, ihn doch in der Uniklinik Bonn untersuchen und behandeln zu lassen. Sie willigte schweren Herzens ein.

Das schlechte Gefühl meiner Oma bewahrheitete sich, er wurde nicht behandelt, sondern weiter nach Mönchengladbach in das evangelische Krankenhaus „Hephata“ verlegt. Dort infizierte man ihn und andere Patienten absichtlich mit TBC. Sein Zustand verschlechterte sich zusehens. Vermutlich um die Kinder der noch nahen Beobachtungsmöglichkeit ihrer Eltern zu entziehen, wurde ein Transport mit 22 Kindern zusammengestellt und nach Klagenfurt verbracht. Dort bekam er und viele andere täglich unter großen Schmerzen eine Spritze. Die Kinder schrien vor Angst und Schmerzen und wurden immer kränker. Nach der nationalsozialistischen Ideologie stand nicht die Gesundheit des Einzelnen, sondern die „Volksgesundheit“ im Zentrum der Fürsorge. Da Kranke und Behinderte nach dieser Ideologie „unwertes Leben“ waren und für die Gesellschaft nutzlos, ja sogar schädlich, brachte man diese Menschen um.

Am 01.03.1944, Hans Rolf war erst 13 Jahre alt, erhielt er eine geplante, tödliche Spritze und wurde ermordet. Das ist in Gerichtsakten belegt. Eine nach seiner Ermordung durchgeführte Obduktion bestätigte, dass die Epelepsie Folge der Kopfverletzungen war.
Wir haben als Familie zur Erinnerung und Mahnung in der Burgstraße – an seinem ehemaligen Wohnort – einen Stoppelstein verlegen lassen.

Es darf nicht sein, dass wir menschenverachtende und faschistische Parteien und Gruppen wie die AFD, Reichsbürger etc. wählen und wieder zur Macht verhelfen.

Die Demokratie ist hart erstritten und das Recht der Menschenwürde hart erkämpft. Das möchte ich mir nicht zerstören lassen. Ich denke wir brauchen jetzt „Haltung und Widerstand“*.

 

Petra Ebbinghaus

 

*Buchtitel Jutta Ditfurth: Haltung und Widerstand

 

1 Kommentar

  1. Vielen Dank Frau Ebbinghaus,dass Sie die Geschichte ihres Onkels hier erzählt haben.Mein Mann und ich sind am Samstag die 5 Steine in Rade abgefahren und haben der Opfer gedacht.Wir dürfen nicht schweigen und uns nicht den Mund verbieten lassen.Das gestern war keine Bürgerveranstaltung sondern nur eine pompöse Alibiveranstaltung.Da passte keine echte Geschichte rein,hätte ja sein können dass der Bürger anstatt Oh happy day plötzlich Arschloch gesungen hätte!

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