Am 11. Jan. 2024 trafen sich Mitglieder und Sympatisanten der neu gegründeten „Deutschen Unternehmer Vereinigung“ im Landhaus Önkfeld zu einer Tagung. Hauptredner war Georg Maaßen, Vorsitzender der „Werteunion“, die am 20.01.24 sich zu einer Partei gewandelt hat.
Die „Bergische Morgenpost“ hatte 18.01.24 alle Ratsfraktionen angefragt, die Vorgänge in Önkfeld zu kommentieren. Mir war es aber nicht möglich in zwei, drei Sätzen meine Betroffenheit und Besorgnis zum Ausdruck zu bringen. Deshalb folgt nun ein etwas längere Betrachtung zu den Ereignissen. Diese wurde nach der Abgabe bei der Presse noch einmal überarbeitet und etwas erweitert.
Vorab möchte ich feststellen, dass es weder verwerflich oder ehrenrührig ist, einen neuen Verein oder eine neue Partei zu gründen. Allerdings wirft die Gründung der „Deutsche Unternehmer Vereinigung“ durch die Werteunion, die in Radevormwald stattgefunden hat, ein bezeichnendes Schlaglicht auf den Zustand unserer Gesellschaft. Bislang war die sogenannte „Werteunion“ eine innerparteiliche, äußerst konservativ, ja rückwärtsgewandte Gruppierung der CDU. Das diese Gruppierung nun zu einer Parteigründung kommen will und gleichzeitig einen „Unternehmerflügel“ gründet zeigt, dass das bisherige Parteienspektrum immer weniger Bindungswirkung entfaltet. Auch dies ist grundsätzlich keine Entwicklung, die zwar bedenklich ist, aber nicht kritisiert werden kann. Ein größeres Parteienspektrum macht die Mehrheitsbildung erheblich schwerer. Wie wir derzeit beobachten können, findet eine „Drei-Parteien-Koalition“ deutlich schwieriger zusammen, als es die bisherigen „Zwei-Parteien-Koalitionen“ vermochten. Was nicht unbedingt heißen muss, dass die mühsam erreichten Ergebnisse selbstverständlich schlechter sein müssten.
Ich hatte in der letzten Ratssitzung schon darauf hingewiesen, dass die Parallelität vieler heutiger Vorgänge, mit denen der späten zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr bedrückend ist. Die Zersplitterung des Parteiensystems stellt leider auch eine solche Parallelität dar.
Der Aufstieg des Nationalsozialismus hatte viele Ursachen. Darunter waren auch folgende Entwicklungen:
- Die Verunsicherung großer Teile der Bevölkerung infolge der Weltwirtschaftskrise. Heute haben wir es nicht nur mit einer Krise, sondern mit zahlreichen Krisenherden zu tun. Angefangen beim Ukrainekrieg, dem
Nahostkonflikt und der Transformationsaufgabe infolge des Klimawandels. Ganz zu schweigen vom dem schwelenden Konflikt um Taiwan. Das deshalb viele Menschen sich in die Vergangenheit zurücksehnen, sie auch unangemessen glorifizieren ist nicht verwunderlich. Dazu scheinen auch die Mitglieder der neuen Unternehmerunion zu gehören. Die Behauptung, dass es Deutschland immer gut gegangen wäre, wenn es gute Beziehungen zu Russland gehabt habe, ist inhaltlich in dieser Pauschalität nicht haltbar. Besonders problematisch an dieser Aussage aber ist, dass sie stillschweigend nahelegt, dass die derzeit „schlechten“ Beziehungen zu Russland Folge deutscher Politik sei. Glaubt man in der Werteunion wirklich, dass angesichts des putinschen Angriffskrieges auf die Ukraine, Deutschland sich einen Sonderstatus hätten bewahren können, um die preiswerten Energieimporte zu erhalten? Eine solche Politik hätte die Existenz der Europäischen Union unmittelbar gefährdet und hätte uns darüber hinaus weiter abhängig von Russland werden lassen, und uns dem Hegemonialanspruch der russischen Herrschaftselite unterworfen. Die Demokratie wäre dann kein Wert mehr, den wir verteidigen wollen.
Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Mitglieder und Sympathisanten der neuen „Unternehmer Vereinigung“ einmal die kurzsichtig-betriebswirtschaftliche Brille absetzten und ein wenig über den Tellerrand blickten. Leider war es aber auch in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter den konservativ geprägten Menschen häufig der Fall, Deutschland als Insel zu betrachten. Nach deren Überzeugung war keine Rücksicht auf die geografische Lage Deutschlands oder das politische Gefüge in Europa und der Welt zu nehmen. Bestenfalls sollten sich die „Anderen“ an den Bedürfnissen Deutschlands orientieren.- Der Unterstützung der NSDAP und ihrer Politik durch die Wirtschaftseliten.
Bis heute gibt es in der Geschichtswissenschaft unterschiedliche Betrachtungsweisen zu diesem Thema. Sicher ist jedoch, dass es einzelne Großindustrielle gab, die sich offen zu ihrem Spenden bekannten (Fritz Thyssen, Emil Kirdorf). Bedeutsamer ist jedoch die bereitwillige Kooperation der deutschen Großwirtschaft nach der Machtergreifung, die z.B. die Aufrüstung erst ermöglichte. Hat das etwas mit unserer heutigen Situation zu tun?
Die Werteunion hat innerhalb der CDU „extrem konservative“ Positionen vertreten. Nach den Recherchen von „Correctiv“ waren neben AfD-Mitgliedern, der Werteunion und der „Querdenkerszene“ bei der Potsdamer Konferenz zur Remigration anwesend. Herrn Maaßen selbst werden gute Beziehungen zu Rechtsextremisten nachgesagt. Die neue Partei der Werteunion hat deshalb vor allen Dingen wohl den Sinn, die von der derzeitigen CDU-Spitze nur halbherzig verteidigte „Brandmauer nach rechts“, weiter zu durchlöchern. Würde diese neue Partei Wahlerfolge erzielen, würden sie sich für erste Koalitionen mit der AfD zur Verfügung stellen und damit den Anschein der „Bürgerlichkeit“ für die „Rechtsextremisten“ erhöhen.
Herr Maaßen verbindet wohl mit der Gründung der „Deutschen Unternehmer Vereinigung“ nicht nur die Absicht, eine weitere Klientel für seine rechtsnationalen Extrempositionen zu gewinnen, sondern hofft wohl auch darauf, hier Finanzierungsquellen für diese Politik zu erschließen.
Ob allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung diese Zusammenhänge klar waren und sie die antidemokratischen Absichten von Herrn Maaßen aktiv unterstützen wollen, lässt sich nicht sagen. Ich hoffe, dass die nun einsetzende öffentliche Diskussion auch zum Nachdenken führt.- Für weite Teile der Bürgerschaft der Weimarer Republik war die parlamentarische Demokratie eine nicht akzeptierte Staatsform. Der Wilhelm II zugeschriebene Satz vom „Parlament als Quasselbude“ fand in weiten Teilen der Bürgerschaft während der Weimarer Republik weite Zustimmung. Das Abrutschen in autoritäre Führungsstrukturen wurde deshalb in großen Teilen der bürgerlichen Bevölkerung nicht als Unglück, sondern als Problemlösung angesehen. Auch heute noch gibt es nicht wenige Mitmenschen, die Demokratie für eine „schwache Regierungsform“ halten und davon überzeugt sind, dass autoritäre Führung schneller zu angemessenen Lösungen kommt. Ein Blick in die Geschichte oder auch nur die etwas genauere Betrachtung der derzeit bestehenden autoritär geführten Staaten sollte eigentlich eines Besseren belehren.
Herr Maaßen betont immer wieder, dass es ihm um Deutschland gehe. Die Demokratie gerät bei ihm nicht in den Blick. Er knüpft damit unmittelbar an die Überzeugung bürgerlicher Kreise der Weimarer Republik an, die eine „nationale Politik“ im unmittelbaren Widerspruch zur Demokratie sahen.Es ist ein Skandal, dass ein solcher „Überzeugungstäter“ oberster Hüter unserer Verfassung werden konnte.
Die NSDAP hat in den späten zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Radevormwald schneller Erfolge erzielt als im Durchschnitt des Landes. Wir bedauern sehr, wenn durch die Gründungsveranstaltung der „Deutschen Unternehmer Vereinigung“ wieder der Eindruck entstünde, dass Radevormwald erneut ein Hort von rechtsextremen Antidemokraten wäre. Diesem Eindruck müssen Bürger und Politik entgegentreten!
Rolf Ebbinghaus
Eine prophetische und die gegenwärtig brandaktuelle Aussage vom Schriftsteller Ignatzi Silone: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ›Ich bin der Faschismus.‹ Nein, er wird sagen: ›Ich bin der Antifaschismus.‹« Der mutige Silone wird so zum Kronzeugen für die These, dass hinter dem Antifaschismus nichts anderes stecke als der Faschismus selbst und die Vorsilbe »Anti« nur der Verkleidung diene.
Hallo Herr Stephani,
Sie verwenden hier eine – im bürgerlich-erzkonservativen Umfeld – gern genutztes Stereotyp, danach sind nicht die „Rechten“ sondern die „Linken“ gefährlich. Auch wenn es häufig behauptet wird, die Geschichte belegt das nicht!
Silone war mindestens so viel Politiker wie Schriftsteller. Er selbst floh vor den italienischen Faschisten in die Schweiz, während sein Bruder von den Faschisten umgebracht wurde. Das Zitat (sofern es eins ist) steht ohne inhaltlichen oder zeitlichen Kontext isoliert im Raum. Es ist bestenfalls eine These, besser eine Vermutung. Da diese Vermutung während seiner Lebenszeit (1900 – 1978) sich nicht verwirklicht hat, ist er kein Kronzeuge. Ihre Darstellung versucht den Anschein zu erwecken, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt. Tatsächlich belegt die aus jeglichem Zusammenhang gerissene Aussage von Silone gar nichts!