Von der Sucht nach Prestige und dem Elend in einer provinziellen Kleinstadt Politik zu machen

Eine Nachbetrachtung zu drei Haushaltsbegleitanträgen von SPD und CDU

Werkstrasse
Werkstrasse, rechts im Bild der älteste Teil des Wülfingkomplexes, der im Eigentum der Stadt ist. (Aufnahme 2014)

Vor allem die SPD assistiert von der CDU hatte sich bis kurz vor der Ratssitzung ein „Feuerwerk“ von Anträgen zur Haushaltsveränderung aufgehoben. Auffällig war, dass CDU und SPD sich gegenseitig für ihre Ideen lobten und der Bürgermeister i.d.R. die Initiativen zu rechtfertigen versuchte. BürgerInnen, die schon länger die Radevormwalder Politik beobachten, mussten sich sogleich in das Frühjahr 2015 zurückversetzt fühlen, indem CDU und SPD einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten ausgewählt hatten.

Aber betrachten wir drei dieser Anträge im Einzelnen:

Industriedenkmal Wülfing
Im Fenster spiegelt sich der Teil des Wülfingkomplexes, der sich im Privateigentum befindet. (Aufnahme 2014)

Wülfing: Hier wollte die SPD im Jahr 2024 500.000€ statt 200.000€ in diesen Komplex investieren. Über die vom Kämmerer veranschlagten 3 Investitionsjahre soll aber zunächst nicht mehr Geld ausgegeben werden. Scheinbar harmlos. Problem war und ist nur. Inhaltlich hatte die SPD den Antrag völlig unbegründet gelassen. Und trug erste Ideen erst mündlich in der Ratssitzung vor. Quintessenz der mündlichen Begründung: Es muss jetzt endlich voran gehen (dafür hätte es den Antrag nicht bedurft, weil der Kämmerer schon Mittel vorgesehen hatte) und wir haben „Großes“ vor. Heißt wir stellen uns „ein historisches Zentrum“ vor. Die CDU stand dem wohlwollend gegenüber und assistierte mit der Forderung bei der Planung „Co-Working-Areas“ zu berücksichtigen.
Große Pläne gab es seit 2002 für Wülfing schon immer, zuletzt 2018 bei der Vorplanung zur Regionale 2025. Gescheitert sind diese Pläne allesamt. Teils an den fehlenden Finanzen, teils an der fehlenden Realitätsbindung. Insofern setzen beide Anträge diese unglückselige Tradition fort. Bislang bestand Einigkeit darin, dass die noch ungenutzten Wüfingflächen so ausgebaut werden, dass sie vermarktet werden können und damit den Subventionsbedarf für den gesamten Komplex mindern. Die SPD-Idee eines historischen Zentrums schert hier aus und erhöht den Subventionsbedarf. Bislang ist es nicht gelungen, das bestehende Wülfing-Museum nachhaltig zu sichern. Der LVR hat sich für eine Übernahme oder Unterstützung desinteressiert gezeigt. Das scheint die SPD-Fraktion aber nicht daran zu hindern, neue kostspielige Träume zu verfolgen. In der Ratssitzung hörte man vom Fraktionsvorsitzenden leider nur Andeutungen und den Verweis auf die Darstellung der Pläne in späteren Ausschusssitzungen. Das Prinzip der Haushaltsplanung wird damit auf den Kopf gestellt: Wir stellen nicht Geld zur Verfügung, weil wir genau wissen, wie es eingesetzt werden soll, sondern wir stellen Geld zur Verfügung und beraten dann was damit geschehen soll. Und das alles auf dem Hintergrund folgender Fakten:

  • Das Wülfing-Projekt liegt seit fast 10 Jahren brach. Die in dieser Zeit immer wieder aufgeworfenen Problemstellungen, wie die Tragfähigkeit des Daches, die fehlende statische Begutachtung sind weiterhin ungelöst und müssten endlich abgeschlossen werden.
  • Pläne für ein Nutzungskonzept gibt es bis heute nicht.
  • Die Investitionstätigkeit liegt nach den Planungen der Kämmerei für das Jahr 2024 jetzt schon weit über dem Ansatz, den die Stadt im Durchschnitt der vergangenen Jahre hat leisten können. Das bedeutet, es gibt auch keine personellen/planerischen Kapazitäten für das Vorziehen von Investitionen.

Die ergänzende „Anregung“ der CDU gibt sich durch die Verwendung des Anglizismus moderner und scheinbar sachkompetent. Tatsächlich könnte ein solcher Raum für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Menschen auch Erträge bringen. Das aber nur, wenn es eine „Gemeinde“ (Community) von Menschen gibt, die solche Büroflächen nutzen könnten. Diesen Bedarf sehen wir in Radevormwald derzeit (noch) nicht. Auch in dieser Anregung steckt mehr Wunsch als Wirklichkeit! Nur nebenbei bemerkt: Die Idee gemeinschaftlich genutzer Büroflächen entstand in New York. Klar, dass man in Dahlerau Schlange steht, um es den New Yorkern gleich zu tun!

Beleuchtung Rad- und Fußweg nach Kräwinkel: Die SPD-Fraktion beantragt für dieses Projekt in diesem Jahr 200.000 € bereit zu stellen. Diese Anregung stammt ursprünglich vom Jugendbeirat und wurde grundsätzlich von allen Fraktionen begrüßt. Der Bauausschuss hatte deshalb einen Prüfauftrag für den notwendigen Finanzaufwand gegeben. Der Leiter des Bauamtes erläuterte in der Ratssitzung, dass bis Ende März/Mitte April das Prüfungsergebnis vorliegen würde. Außerdem habe das Amt inzwischen eine Förderungsmöglichkeit gefunden und dafür müsste bis Mai ein entsprechender Förderantrag gestellt werden. Mit dem Bescheid über die Förderbarkeit könne man aber erst gegen Ende des Jahres rechnen.

Obgleich die Sache selbst sich auf einem guten Weg der Realisierung befindet, beharrte die SDP-Fraktion darauf, 200.000 noch in diesem Jahr zu investieren. Stört es, dass ein solches Vorgehen die Förderfähigkeit gefährdet, weil begonnene Maßnahmen in der Regel nicht förderfähig sind? Die SPD-Fraktion offensichtlich nicht.

Fazit: Die durch diese beiden Maßnahmen hinzugekommene 0,5 Mio. Investitionen erhöhen das Defizit von 8,5 Mio. (nach neuesten Erkenntnissen eher 9,5 Mio.) formal nicht. Dennoch finanzieren sich Investitionen nicht von selbst, sondern dafür müssen Darlehen aufgenommen werden, die das Betriebsergebnis der kommenden Haushaltsjahre belasten. Das spricht nicht grundsätzlich gegen Investitionen. Aber dabei muss auch der Blick für das Wesentliche und Notwendige gegeben sein! Daran mangelt es den beiden „großen“ Fraktionen erheblich.

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Menschen am Werk sind, die sich „zu Höherem“ berufen fühlen, und deshalb mit ihrem Schicksal in einer Kleinstadt Politik machen zu müssen unzufrieden sind und die kleine politische Bühne Radevormwalds zwanghaft immer größer denken, als sie tatsächlich sein kann.

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