Gestern hat der Rat der Stadt abschließend über den Haushaltsentwurf 2024 beraten und darüber entschieden. Anders als in den Jahren zuvor, wollten sich diesmal alle Fraktionen zu Wort melden. Wir haben es immer als wichtig erachtet im Rahmen der Haushaltsberatungen Rückschau aber auch Ausblick auf die Gesamtentwicklung der Stadt zu geben. Die Stellungnahme der AL-Fraktion, in Form der Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden können Sie hier nachlesen.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr verehrte Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter,
liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Radevormwalder und Radevormwalderinnen!Das Haushaltsjahr 2024 steht unter keinem guten Stern. Mit einem Defizit von mehr als 8,5 Mio. € schreit geradezu nach Handlungseingriffen. Deshalb sind wir dem Kämmerer dankbar, dass er durch Auflösung von Rücklagen versucht, die schwierige Finanzsituation ohne Steuererhöhungen durchzustehen. Wenn auch die Inflation rückläufig ist, wäre es ein fatales Signal, wenn staatliche Gebietskörperschaften zur nächsten Preissteigerungsrunde den Anstoß geben würden.
Ebenso froh sind wir, dass wir an unserem Bildungsprojekten der Kindertagesstätte Auf der Brede und dem Bildungshaus am Kreuz trotz steigender Baukosten festhalten können. Wir hätten uns eher eine Dreizügigkeit der neuen Grundschule gewünscht, können aber verstehen, dass auf dem Hintergrund der Finanzsituation der Stadt die Zweizügigkeit präferiert wird. Die Entscheidung halten wir zwar für falsch, da aber Niemand von uns weiß, wie sich die Raumbedarfe in Zukunft entwickeln werden, wird diese Frage nicht unsere Grundsatzentscheidung zum Haushalt bestimmen. Wir hätten uns allerdings sehr gewünscht, wenn die Radevormwalder Politik
fähig gewesen wäre, unter den gegebenen Bedingungen noch einmal über ihren Grundsatzbeschluss zum Bau zweier neuer Grundschulen nachzudenken. Die RUA hatte dazu den Anstoß gegeben. Den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass alles doch noch besser werden könnte, ist keine Politik, die Vertrauen in der Öffentlichkeit schafft. Darüber hinaus hilft es nicht der Schule in Bergerhof. Für sie wäre es sicher vorteilhafter, wenn wir uns frühzeitig mit Sanierungsplänen beschäftigen würden.
Für uns nur schwer erträglich ist die Situation bei den Projekten INHK2 und Wohnzimmer Nordstraße, die vor allem in diesem Jahr finanzwirksam werden. Die Förderung der Innenstädte ist grundsätzlich nichts Falsches. Dieses Programm war allerdings dazu gedacht, besondere Problemlagen aufzugreifen. Die Mehrheit des Rates hat die Definition der Problemlagen dem Planer MWM überlassen, der unter Effiziensgesichtspunkten, wie in den Jahren zuvor, sich die Sache einfach macht und deshalb vor allem den Austausch von Straßenoberflächen betreibt. Das ist schlicht ärgerlich, weil es ernsthaft Problemlagen gibt, wie z. B. der überdimensionierte Busbahnhof, die Galvanikbrache in Innenstadtlage, ein 2017 fehlendes Radwegenetzkonzept, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir setzen jetzt wertvolle Steuermittel ein, um privaten Planern ihren wirtschaftlichen Erfolg besonders leicht zu machen. Der Dienstleistungsgedanke hat sich hier in sein Gegenteil verkehrt. Ebenso bedenklich ist die Uneinsichtigkeit des ausgewählten Architekten für den Bau des Nordstraßengebäudes. Der kümmert sich wenig um regionale Bauweisen oder gar um die vorhandene Bausubstanz der Nachbarschaft, sondern folgt nur seinen persönlichen Interessen der Holzschindelfassade. Insgesamt sehen wir im Baubereich noch großen Handlungsbedarf. Wir bitten die Verwaltung strenger auf kostengünstige Bauverfahren zu schauen und nicht jede Preisvorstellung zu akzeptieren. Abwasserpumpanlagen, die mit 900.000€ veranschlagt werden, sind selbst dann zu teuer, wenn die Technik in den Häusern 300.000 bis 400.000€ kostet.
Zu den großen Belastungen des Haushaltes gehört die Kreisumlage. Deshalb der Appell an die Kreistagsmitglieder. Verstehen Sie den Kreis als Dienstleister der Gemeinden und weniger als selbständige übergeordnete Verwaltungsbehörde. Ihre Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass die Aufgaben, die dem Kreis übertragen wurden, effizient, d.h. kostensparend erfüllt werden. Es geht nicht an, dass der Kreis auf Kosten der Gemeinden seine Bürokratie immer weiter ausbaut, in Betongold investiert und dafür immer stärker in die Gemeindekassen greift und zu allem Überfluss auch noch seine Finanzpolster anwachsen lässt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir waren guten Willens dem bisherigen Haushaltsentwurf zuzustimmen. Und für den Kämmerer schmerzt es uns auch, dass wir diese ursprüngliche Absicht nicht umsetzen können. Aber, dass was sich hier in letzten 5 Tagen und in der heutigen Ratssitzung ereignet hat, verdient noch ein paar besonderer Worte. Unter völliger Missachtung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Stadt, haben sich CDU, SPD und UWG in einen Überbietungswettbewerb begeben und an einzelne Gruppen das Füllhorn von finanziellen Freundlichkeiten ausgegossen. Im investiven Bereich folgt man blindem Aktionismus. Diese Form der Politik, die sich immer erst an Wählerkientele erinnert, wenn gewählt wird und dabei das Ganze aus dem Auge verliert, sollten endlich überwunden werden. Es lässt Schlimmes für das kommende Haushaltsjahr befürchten, in dem auch der Rat neu gewählt wird.
Um ein Zeichen an die Fraktionen zu senden, die so freizügig mit dem Geld der Bürger umgehen, werden wir dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen.
Weil die Beratungen und die gefassten Beschlüsse doch recht ungewöhnlich waren, werden wir an dieser Stelle noch eine Nachbetrachtung zu den Vorgängen veröffentlichen.
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