Die Kommentierung der Erklärung unseres Bürgermeisters von dem anonymen Schreiber „Corra Do“ macht mich sehr betroffen. Ich schreibe dies zunächst als meine persönliche Erklärung, glaube aber, dass die Mehrheit der AL-Fraktion/Mitglieder mir zustimmen würde.
Der Text von „Corona Do“ bedarf in vielen Fällen der genaueren Analyse. Er scheint zunächst sozialverträgliche Grundaussagen zu formulieren, die bei näherer Betrachtung aber alles andere sind! Was bedeutet letztlich der Satz „Die Verzögerung der Immunisierung darf nicht die Schwachen der Gesellschaft für Monate und Jahre in Not bringen.“ Wer von einer Verzögerung der Immunisierung spricht, meint doch wohl, dass man der Ausbreitung der Infektion nicht viel entgegensetzen sollte. Dies ist die vor Monaten schon einmal angedachte Theorie, die „Herdenimmunität“ durch weitgehend ungehinderte Ausbreitung des Virus zu erreichen. Die Britische Regierung hatte sich dieses Konzept ursprünglich mal zu eigen gemacht, sie dann aber als undurchführbar verworfen.
Was würde nun eine ungebremste Ausbreitung des Virus bedeuten. Virologen gehen davon aus, dass es bei dem SarsCov2-Virus etwa 70 % der Bevölkerung braucht, die einmal infiziert werden müssten, damit die Pandemie sich nicht weiter ausbreiten kann und damit zum Stillstand käme. Sehen wir einmal davon ab, dass neueste Studien zeigen, dass eine Infizierung scheinbar nicht in jedem Fall zu einer dauerhaften Immunisierung führt, sondern beschäftigen uns zunächst nur mit den Zahlen. Prof. Streek hat eine Sterblichkeit in seiner „Heinsberg Studie“ von 0,4% ermittelt. (Die aktuellen Zahlen liegen darüber.) Das bedeutet: 70% Infizierte von 80 Mio. Einwohner benötigt 56 Mio. Infizierte. Die könnten im Rahmen eines exponentiellen Verlaufs (Verdopplung der Infizierten in relativ kurzer Zeit) auch schnell erreicht werden. Aber das bedeutet auch, dass damit 224.000 Tote statt heute gut 10.000 Tote verbunden wären! Aber das ist nur eine Milchmädchenrechnung. Die Streeksche Zahl beruht auf der Ausgangslage eines völlig intakten Gesundheitssystems. Ja mehr noch. In der Anfangsphase der Pandemie (Heinsberg) waren es häufig die Universitätskliniken in Düsseldorf und Essen, die an „vorderster Front“ standen und auch eine besonders gute medizinische Versorgung bieten konnten. Nur bei einer sich ausbreitenden Pandemie werden wir minimal 2,25 Mio. Krankenhausbehandlungen (4%) nötig haben. Das dabei die hohen Standards nicht eingehalten werden können, ist selbstverständlich. Vielmehr kommt es zur Überlastung des Gesamtsystems, d.h. es wird ausgewählt, wer behandelt wird. Und das gilt nicht nur für die Covid infizierten Patienten. Vom Schlaganfall bis zur Blinddarmentzündung kann eine sachgerechte Behandlung nicht mehr sichergestellt werden. Die Sterblichkeitsrate wird in einer solchen Situation steil nach oben gehen. Wer will solche Szenarien verantworten??? In Facebook lässt sich so etwas leicht schreiben. Man verantwortet nichts!
Wir erleben heute, dass viele Menschen auf relativ harmlose Nachrichten panisch reagieren. Schon die mögliche Erwägung eines „Teillockdowns“, der in keiner Weise weder Produktion noch Versorgung behindert, führt zu Hamsterkäufen von Toilettenpapier. Das ist der pure Ausdruck von Irrationalität! Was glaubt „Corra Do“ und andere Skeptiker, was geschehen würde, wenn die Menschen mitansehen müssten, dass jede Krankheit in einem überforderten Gesundheitssystem nicht mehr sachgerecht behandelt werden und zum Tode führen kann. Glaubt jemand ernsthaft, dass in einer derartigen Gesellschaft das Wirtschaftssystem auch nur annähernd aufrecht erhalten werden könnte. In einer solchen chaotischen Situation wird sich jeder selbst der nächste sein! Werden dann Pfleger im Gesundheitssystem bis zum „umfallen“ arbeiten? Bleiben die Kassen des Einzelhandels besetzt? Werden die Auslieferungsfahrer weiterhin ungerührt ihren Dienst versehen? Selbstverständlich werden die Menschen aus Selbstschutz die Kontakte soweit es geht einschränken. Auch die am Arbeitsplatz. Das wird dann der richtige Lockdown!
Aber offensichtlich glauben viele Kritiker, dass es gar nicht so weit kommt, weil sie die Gefährlichkeit des Virus leugnen oder es als ein „Bevölkerungsschichtenproblem“ darstellen. Diesen Trick wendet auch „Corra Do“ in seinem ersten Satz an. Hier wird ein Gegensatz zwischen jetziger und zukünftiger Generation erzeugt. Formal leben in jeder Gegenwart mehrere Generationen, insofern ist die Aussage unrichtig. Gemeint ist aber offensichtlich der Vorwurf, die ältere Generation lebt auf Kosten der jüngeren! Diese Aussage fußt nicht zuletzt auf missverstandenen statistischen Daten. Natürlich sind unter den an Covid19 Verstorbenen besonders viele Menschen, in einem fortgeschrittenen Lebensalter. Dennoch wäre es viel zu kurz gesprungen, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass nur alte Menschen geschützt werden müssen. Die Risikogruppe derjenigen, die einen schweren Krankheitsverlauf haben könnten ist viel weiter zu ziehen. Nach jetzigem Stand der Erkenntnis zählen hierzu unter anderem:
- Alter,
- vorherige Lungenerkrankungen,
- „Fettleibigkeit“,
- Bluthochdruck,
- Stärke des Immunsystems,
- Größe der Virenlast
- Blutgruppe usw..
Die Annahme, man müsse nur die Seniorenheime schützen, dann könnte der Rest der Bevölkerung ungehindert wie früher weiterleben, geht völlig in die Irre. Ganz besonders bedenklich wird diese unterschwellige Argumentation, weil aus der Eingrenzung auf alte Menschen sehr schnell die Frage nach der Lebensberechtigung gestellt werden kann. Ich hatte gehofft, dass wir die Diskussion über „lebensunwertem Leben“ in der dunkelsten Zeit unserer Geschichte belassen könnten. Natürlich greift man auf diese Zeit und Geisteshaltung nicht unmittelbar zurück, aber wohin darf man solche Aussagen wie „Menschenrechte gelten nicht zuerst für uns und dann für Andere.“ verstehen? Dies heißt letztendlich Menschenrechte können je nach politischer Anschauung beliebig eingefordert ja gewichtet und verteilt werden! Unser Grundgesetz ist da wohltuend klar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Es gibt keine Menschenrechte der Alten oder Jungen, der Gesunden oder Kranken, der Weißen oder Farbigen oder gar der Unseren und der Anderen! Ein solcher Satz steht außerhalb unseres Grundgesetzes!
Es würde zu weit führen, auf die Aussagen zu den internationalen Lebensstandards im Einzelnen einzugehen. Aber die Vergangenheit zu glorifizieren und damit die Probleme der Globalisierung zu leugnen ist bemerkenswert von einer Gruppe, die sonst vermutlich eher zu den Globalisierungskritikern gezählt werden müsste. Wie in jeder Krise gibt es auch in dieser Gewinner und Verlierer. Aber das insgesamt Corona eine Belastung der Wirtschaft ist und damit die ökonomische Existenz vieler Menschen gefährdet, ist völlig richtig. Dabei gilt, die wirtschaftlich Schwächsten sind stärker gefährdet als die wirtschaftlich Starken. Das gilt national wie international. Nur, es ist die Pandemie die die Menschen gesundheitlich und ökonomisch bedroht und nicht die Bekämpfung der Pandemie, wie „Corra Do“ behauptet. Für die These, dass die Bekämpfung der Pandemie das „Leid verlängere“ gibt es nicht den geringsten Beleg! Wer den ökonomisch Schwachen helfen will, muss unter anderem dafür eintreten, dass das Gesundheitssystem leistungsfähig und möglichst für alle Menschen zugänglich ist. Das wäre zum Beispiel auch ein qualitatives Kriterium für die Beurteilung der ökonomischen Situation einer Bevölkerung und nicht der eindimensionale Bezug auf die Zahl der Hungertoten! Wenn aktuell 11 % der Weltbevölkerung an Hunger leiden, weiß ich nicht, worauf wir stolz sein dürften. Und wer ist eigentlich wir??? Ich zähle mich ausdrücklich nicht zu diesem „wir“!
Solange keine Medikamente und keine Impfstoffe zur Verfügung stehen, gibt es nur ein Mittel mit dem Covid19 bekämpft werden kann: Wir müssen die Verbreitung des Virus unterbinden. Das ist einerseits leichter als es scheint. Abstand halten, Hygienemaßnahmen, Masken und Lüften. Andererseits im beruflichen Umfeld, im öffentlichen Nahverkehr in den Schulen und KITAS ist das nicht ganz so einfach umzusetzen. Den „Wellenbrecherlockdown“ hätten wir wohl vermutlich vermeiden können, wenn wir den Sommer über das Vorhandensein des Virus ernster genommen hätten! Es sind möglicherweise die gleichen Menschen, die das Tragen von Masken erst dämonisieren und sich anschließend über den Lockdown beschweren. Hier hat Politik auch nicht immer sehr weitblickend gewirkt. Es musste im Sommer vor allem über die Erleichterungen diskutiert werden, statt sich zu fragen, wie wir ein Anstieg der Infektionen unter schwieriger werdenden Wetterbedingungen hätten vermeiden können. Ganz in dieses fatale Verhalten passt die Aussage von Christian Lindner, dass der „2. Lockdown“ nun auch der letzte gewesen sein muss. Das Virus hat ihn bestimmt verstanden! Nicht Wunschdenken, sondern konstruktive Kritik und solidarisches Handeln sind erforderlich!
Es gibt nicht nur ein Menschenrecht, sondern mehrere. Die Bekämpfung der Pandemie und damit der Schutz von Gesundheit und Leben ist immer ein Abwägungsprozess, z.B. gegenüber dem Recht auf Bildung. Deshalb war es im Frühjahr und jetzt erst recht das Ziel, die wirtschaftlichen Einbrüche so klein wie möglich zu halten. Ich finde es schade, dass die Skeptiker und Kritiker dieses Abwägungsdilemma nicht anerkennen. Das dabei nicht alle Entscheidungen richtig oder gerecht sind, ist zugestanden. Aber die Kritiker müssen erkennen lassen, welche Abwägungsprozesse sie bei ihren Überlegungen vorgenommen haben. Das fehlt bei „Cora Do“ und anderen Kritikern vollständig oder sie entziehen sich dieser Abwägung, weil sie die Gefahren des Virus klein reden und sich stattdessen in der Konstruktion und Verbreitung von überaus fragwürdigen Behautungen üben.
Rolf Ebbinghaus
Ob die Uniklinik Essen eine besonders gute Betreuung der Corona-Kranken bietet, wage ich zu bezweifeln. Meine Erfahrungen aus Oktober 2018 mit dieser klinik sind jedenfalls mehr als schlecht. Aber ich habe dort 4 TAge lang am Sauerstoff liegen müssen und erinnere mich nur noch daran, wie das Überwachungsgerät piepte und man auf mich einredete, ich müsse atmen. Ich möchte das nie wieder erleben müssen und wünsche es auch keinem anderen. Und gerade Corona ruft bei vielen diesen Effekt hervor, daß sie beatmet werden müssen.
Die Wirtschaft leidet – ja, das stimmt. Die Kinder leiden, weil sie zuhause sitzen müssen – das sehe ich nur bedingt, sitzt doch ein Großteil davon eh dauernd vor dem PC, anstatt rauszugehen. Und selbst, wenn sie miteinander an demselben Tisch sitzen, schicken sie sich lieber WhatsApp-Nachrichten, als miteinander zu reden.
Ich baue aber lieber eine beschädigte Wirtschaft wieder auf, als Zausende von Menschen sterben zu sehen. Die Menschenleben kann man nämlich nicht wieder aufbauen.
Könnte das ganze Virusproblem vernünftiger angegangen werden – ja, auf jeden Fall.
Wir hätten schon viel früher einen Komplett-Lockdown über wenige Wochen gebraucht, nicht diese halbherzigen Lösungen monatelang, die bis heute bevorzugt werden. Dann würde sich das für viele Geschäftsinhaber auch nicht so endlos hinziehen. Und ich wünsche mir auch eine härtere Gangart gegenüber denen, die sich nicht an die Regeln halten wollen und die Infektion anderer in Kauf nehmen (z.B. Maskenpflicht).
Auch sollte man alles tun, um bei jedem Bürger das Immunsystem auf den bestmöglichen Stand zu bringen. Da besteht, wie ich auch aus meinem Umfeld weiß, bei vielen Menschen Handlungsbedarf. Dazu gehört aber auch, Schüler und Lehrer nicht bei kalten Temperaturen in den Klassen frieren zu lassen durch andauerndes Lüften. Es gibt bereits auf dem Markt von deutschen Herstellern Mittel, die man stattdessen einsetzen kann und die den Virus wirkungsvoll in der Luft und auf allen Flächen bekämpfen – und die sogar bei Anwesenheit im Raum verteilt werden können, da sie sogar für Babys und Kleinkinder unschädlich sind.
Was ich asber momentan auf keinen Fall möchte, ist, mit Herrn Manz oder gar Frau Merkel zu tauschen. Denn viele Leute unter einen Hut zu bringen, ist mehr als schwierig, was ich als Projektmanagerin auch schon erfahren mußte.
Es tut mir Leid, ihre Position steht außerhalb des Grundgesetzes. Eine derart weite Einschränkung bürgerlicher Freiheiten hat es noch nie gegeben. Es macht mich traurig, wenn Sie mit dem Infektionsschutz dies begründen wollen und dabei gleichzeitig kaum eine tiefergehende wirtschaftliche Interessenanalyse aufzeigen.
Historisch gesehen ist die „Bürgerliche Freiheit“ etwas sehr modernes und deshalb ist das Wort „nie“ hier völlig falsch verwendet. Und der Abwägungsprozess hat stattzufinden zwischen der Einschränkung von Bewegungs-/Versammlungsfreiheit und dem Schutz von Leib und Leben. Beides sehr wichtige Rechtsgüter. Wenn Sie das Fr. Lohmann schon einmal anerkennen könnten, wären wir auf einem guten Weg! Denn mit dem Infektionsschutz zu argumentieren verharmlost den tatsächlich bestehenden Rechtskonflikt!
Corrado … italienischer Vorname …
Ob wirklich alle Mitarbeiter in der AL hier zustimmen?
Liebe/r Kommentatorin/Kommentator!
Von allen war nicht die Rede, sondern von der Mehrheit! Das ist wohl so!!!
Viele Grüße
R. Ebbinghaus